Reelkirchen
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Wasserschloss Reelkirchen
Chronik
1523 Hermann VIII. von Mengersen (um 1480-1558) erhielt das Gelände des „Mühlenbruchs“ in Reelkirchen vom Bischof zu Paderborn als Lehen, weil mit Friedrich von Klinge der letzte Angehörige der Vorbesitzer-Famile ausgestorben war. Hier errichtete er eine Zehntscheune, die 1908 abgebrochen wurde. Lediglich der Torbalken mit Inschrift von 1550 blieb erhalten und befindet sich heute im östlichen Bogen des Torhauses.
1550 erfolgte die Anlage der Schlossinsel und der Gräfte. Der erste Bau war die Zehntscheune, wichtigster Bau zur Ausübung seiner Herrschaftsrechte aus wirtschaftlicher Sicht. Zweitwichtigster Bau war der Schutz der Scheune durch eine Zugbrücke mit Torhaus, die im 18. Jahrhundert durch eine festinstallierte Steinbrücke mit neuer Torgestaltung ersetzt wurde. Ein Herrenhaus war damals noch nicht nötig, da die Familie noch in Rheder wohnte.
1566 wurde seinen Nachfahren die Erlaubnis zum Bau eines Herrenhauses gegeben, von dem allerdings nur ein paar Mauerreste erhalten sind.
1617 verpfändete Hermann XIII. von Mengersen das Gut an die Familie von Bruchhausen. Sein Wappen und das seiner Gemahlin Agnes Freitag sind heute noch über dem Eingangstor zu sehen.
1755 Katharina von Mengersen, geb. von Haren (1712-1775), löste die Verpfändung auf und lies anstelle des baufälligen Wohnhauses das heutige Hauptgebäude errichten. Auch das Torgebäude wurde erneuert.
Um 1810 Ausstattung des heutigen „Tapetenzimmers“ mit der bis heute erhaltenen Panoramatapete, die Venezianische Szenen in Grisailletechnik zeigt. Sie stammt von einem unbekannten französischen Hersteller und ist noch einmal in Deutschland (Leubach, Oberhessen) und elfmal in verschiedenen Bundesstaaten der USA erhalten.
1847 Hermann XVII. (1821-1907) erbte Reelkirchen, blieb jedoch als Offizier im Österreichischungarischen Heer. Er gab das Gut an Armin Kurt Julius von Mengersen (1872-1915) weiter, der dem K.u.K.-Husarenregiment angehörte. Ein Gedenkstein, der erst im Butterberg und heute auf dem Schlossgelände steht, erinnert an ihn.
Um 1900 Abbruch der großen Scheune, von der nur ein Torbalken erhalten ist: Er befindet sich jetzt in der Tordurchfahrt und trägt die Inschrift „An(no) d(o)m(ini) 1550 vir st(r)eunuus hermanus de mengersen me fieri fecit“.
1907 Da die Familie von Mengersen weiterhin in Wien lebte, wurde das Herrenhaus an Familie Dr. Frucht aus Hannover vermietet. Diese führte ein sogenanntes „Töchterpensionat“, in dem junge Frauen aus anderen europäischen Ländern den Haushalt und Fremdsprachen erlernten.
1935 August von Mengersen zog nach Reelkirchen zurück und ließ das Anwesen aus diesem Anlass von Grund auf renovieren. Die Ländereien blieben verpachtet. Seine Frau Valerie von Mengersen übersiedelte ebenfalls von Wien nach Reelkirchen.
1944 Die Patentabteilung der „Ruhrchemie“ wurde von Oberhausen nach Reelkirchen velagert, um diese vor Bombenangriffen zu schützen. Sie arbeitete vor allem an der Gewinnung von Benzin und Stickstoff aus der Verkokung von Steinkohle, da die Nationalsozialisten im 2. Weltkrieg von Importen unabhängig sein wollten.
1945 Wurden die vorgefundenen Patente in die USA überführt. Eine Abteilung des „Secret Service“ bezog für drei Jahre das Schloss, das alle bisherigen Bewohner verlassen mussten.
1958 August von Mengersen ließ den Schlossgraben entschlammen. Angehörige der Familie von Mengersen hielten sich nur zeitweise noch in Reelkirchen auf, das Dachgeschoss des Herrenhauses wurde vermietet, die Gräfte und Nebengebäude an den Fischereiverein Dortmund verpachtet.
2013 Familie von Mengersen verkaufte das Wasserschloss Reelkirchen, der Verein zur Erhaltung und kulturellen Nutzung wird als gemeinnütziger e.V. gegründet.
Familie von Mengersen
Familie Frucht
Das Treppenhaus
Das Tapetenzimmer
Ein Raum im ersten Geschoss des Wasserschlosses beherbergt eine gut erhaltene Panorama-Tapete aus dem Beginn des 19. Jahrhunderts. Solche Tapeten, die an allen vier Wänden eines Raumes angebracht wurden, waren zu dieser Zeit sehr beliebt. Sie vermittelten dem Betrachter das Gefühl, sich an einen anderen Ort oder in eine andere Zeit versetzen zu können. Entsprechend stellen sie gern einen Sehnsuchtsort dar, wie eine exotische Landschaft oder eine mythologische Szenerie. Diese Tapete wurde zumeist als "Vues de Venise" oder „venezianische Ansichten“, betitelt und zeigt idyllische Szenen aus einer Hafenstadt, die allerdings nur vage an Venedig erinnert. Zu entdecken sind Fischer, Händler, Schäfer und Schäferinnen in einer im weitesten Sinne italienischen Landschaft und Architektur. Mehr als um Genauigkeit geht es darum, eine mediterran-idyllische Stimmung zu erzeugen und dem Betrachter die Möglichkeit zu bieten, viele kleine Szenen und Details zu entdecken. Die Personen sind in der damals aktuellen Mode gekleidet, an einer Stelle meint man sogar ein Porträt Napoleons zu entdecken, der in typischer Kleidung und Haltung wiedergegeben ist. Während viele Panoramatapeten in leuchtenden Farben gedruckt wurden, handelt es sich hier um eine „Grisaille“, eine Darstellung in Grautönen. Diese Tapeten wurden mit Holzmodeln im Handdruck mit Leimfarben auf einzelne Druckbögen gedruckt und anschließend zusammengefügt. Das Zentrum der Herstellung ähnlicher Tapeten befand sich in Frankreich, wo vor allem die Manufaktur von Joseph Dufour in Mâcon boomte. Ob auch die Reelkirchener Tapete aus dieser Firma stammt, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, aber erhalten geblieben ist sie noch einmal in Deutschland und elfmal in den USA, was zeigt, dass Panoramatapeten aus Frankreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein echter Exportschlager und ein Statement für modebewusste Inneneinrichtung waren.
Quelle: Tapetenmuseum Kassel.
